71 Es begann mit kleinen, fast unsichtbaren Erfolgen. Eine Hand, die plötzlich den Rollstuhlgriff berührte. Ein Moment, in dem sie sich leicht zur Seite drehte. Ein Lächeln, das sie nach Wochen zum ersten Mal im Spiegel sah. Die domino-coaches und Pfleger lobten sie für jede Bewegung, als wäre es ein Marathonlauf gewesen. Mit Geduld, täglichem Training und einer Portion Sturheit, die sie selbst an sich wiederentdeckte, veränderte sich etwas in ihr. Woche für Woche lernte sie, sich selbst zu transferieren – erst unsicher, dann selbstbewusst. Sie lernte, den Rollstuhl selbst zu bedienen, durch die Flure zu manövrieren, aus dem Zimmer in den Garten zu fahren – dahin, wo die Sonnenstrahlen auf ihre Haut trafen. Und dann kam der Tag, an dem sie ihre ersten Schritte machte. Unsicher, mit Unterstützung, aber mit einem festen Ziel vor Augen. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, als sie über den Flur ging. Fünf Meter, dann zehn. Bald waren es sechzig Meter, die sie mit Hilfestellung zurücklegen konnte. Der Sommer war längst in vollem Gange. Die Vögel zwitscherten. Die Blumen blühten. Und Frau Keitz – sie blühte mit. Nicht weil sie wieder so war wie früher, sondern weil sie eine neue Kraft in sich entdeckt hatte. Eine Kraft, die ihr niemand mehr nehmen konnte. Heute sitzt sie oft auf der Bank im Garten, die Sonne im Gesicht, das Herz voller Dankbarkeit. Sie nickt den Pflegekräften und domino-coaches zu, die vorbeigehen, und sagt mit einem Lächeln: „Ich dachte, mein Weg sei zu Ende. Manchmal beginnt ein neuer Weg mitten im Sommer.“
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